Vom Positiven leben. Vom positiven Leben.

Der Satz ist ein Klassiker: „Wo bleibt das Positive?“ wurde Erich Kästner gefragt. Er antwortete lyrisch bitter und erwiderte: „Ja, weiß der Teufel, wo es bleibt.“ Am Ende der Weimarer Republik war sein Gedicht prophetisch. Er spürte die zerrüttende und zerrüttete Selbstzufriedenheit dieser Zeit.
Zufriedenheit und Selbstzufriedenheit sind vornehmlich bürgerliche Eigenheiten. Sie haben etwas Biedermännisches, wirken konservativ, traditionell und konservierend. Wer zufrieden ist, hat sich eingerichtet und verzichtet auf die Negation. Hat Kästner diese Bürgerlichkeit gemeint?
Neben der Bürgerlichkeit des Zufriedenen, gibt es die Attitüde des Ewigkritischen, der Ablehnung, der Dauerdifferenzierung, des Widerspruchs. Das Positive suggeriert abschreckend sattes Schweigen. Wer die Höhe der Zeit erklimmt, darf sich nicht zufrieden geben.
Und doch lockt die Lust auf Zustimmung, die Abkehr von der Negation, das Suchen des gemeinsamen kleinen Nenners. Für einen Moment soll die Mühsal des Widerspruchs vermieden werden und sich in Übereinstimmung begeben: nicht auf der Seite der Nörgler stehen. Ein Brücke oder eine Falle auf dem Weg langen Diskurses?
Bald ist Bundestagswahl. Merkel wird gewinnen. Es gibt die Sehnsucht, einverstanden zu sein.