Konsum anders

Sie sind umgezogen. Sie wollen das neue Ikea-Regal an die Wand dübeln. Sie suchen die monatelang nicht genutzte Bohrmaschine. Kaputt. Sie wollen bei dem großen Versandhaus eine neue Maschine bestellen und geben das Stichwort ein. Es öffnet sich ein Fenster auf dem Bildschirm: „Warum möchten Sie eine neue Bohrmaschine kaufen?“

Sie stutzen und antworten: „Meine ist kaputt“. Ein neues Fenster ploppt auf: „Worin besteht der Defekt?“ Sie erklären dem Programm, dass die Maschine verstummt sei. Neues Fenster: „Hier finden Sie die Adressen von Elektriker in der Nähe, die mit uns als Vertragspartner zusammenarbeiten.“

Sie sind genervt und bestehen darauf, eine neue zu kaufen. Das Programm bietet ihnen nun entsprechende Modelle an. Sie entscheiden sich für die neue Bosch: hohe Durchschlagskraft, gute Energieeffizienzklasse, geräuscharm. 210 €. Kaufen. In den Warenkorb. Es ploppt: „Wie oft benutzen Sie die Maschine im Jahr?“. Sie überlegen: ca. fünf Mal. Nächster Plopp: „Unsere Beraterinnen und Berater sind der Auffassung, dass es sich bei Ihrer Nutzungsfrequenz nicht lohnt, so eine Maschine zu kaufen. In Ihrer Nachbarschaft hat kürzlich jemand die Maschine erworben und sich bei uns als Leihgeber registrieren lassen.“ Und dann wird freundlich erklärt, dass man gegen eine Gebühr von 3,95 € die Adresse des Leihgebers erfahren würde. Wenn man trotzdem kaufen wolle, möge man sich doch auch entsprechend registrieren lassen.

So ähnlich erzählt Harald Welzer in seinem  anregend provokativen Buch „Selbst denken – Eine Anleitung zum Widerstand“ eine besondere Konsumgeschichte und stellt damit kurzerhand die Gegenwart unseres Konsumismus auf den Kopf. Welzer behauptet: Wir kaufen mittlerweile nicht mehr, um zu nutzen, sondern um die Möglichkeit des Nutzens zu haben. Niemand braucht zwei Fahrräder, drei Autos, vier Computer, 10 Paar Schuhe oder die 100 Stück umfassende Sammlung aller wesentlichen Chorwerke. Bücher bleiben ungelesen, Nahrung wird weggekippt. Käufer und Käuferin verändern sich: Sie sind bloße Relaisstationen zwischen Herstellung und Entsorgung. Selbst Produkte, die wir benötigen, bleiben meistens ungenutzt. Bohrmaschinen zum Beispiel…