Sudelbischof

Ende der 50er Jahre hat Bischof Heinrich Maria Janssen einem Hildesheimer Ministranten ungeniert in den Hosenschlitz gefasst und sich oral Entlastung von Amtsbürden verschafft. Nach über fünfzig Jahren hat sich der Missbrauchte im Jahr des 1200jährigen Bistumsjubiläums offenbart.

Die katholische Kirche ist reich an Symbolen, zelebriert alte Liturgien und erhebt Knochen zu Reliquien. Die Gottesdienste sind ausladend spirituell, ästhetisierend. Die kostbaren Paramente tragen sich goldglänzend und inhaltsschwer. Jeder Ring, jeder Rochett-Zipfel, jeder Pileolus, alle Bauchschärpe haben jahrhundertelang getiefte Bedeutung. Der Bischof gilt als wahrer Nachfolger der Apostel. Mehr geht nicht. Er schwebt ein paar Zentimeter über dem Boden. Unnahbar.

Janssen war einer „zum Anfassen“ – so stand es in der Hildesheimer Kirchenzeitung. Wie fürchterlich wahr! Er war volksnah. Wie richtig! Er war ein Seelsorger. Ja. Offenbar aber auch ein Körperentsorger. Er hat Ikonenstatus, weil „er“ das Bistum in den Nachkriegsjahren wieder aufgebaut hatte.

Die Bistumsleitung hat den Vorgang öffentlich gemacht, nachdem der Missbrauchte mit der angebotenen Entschädigungszahlung nicht einverstanden war. Männer der zweiten Reihe standen Rede und Antwort – tief Enttäuschte von diesem verstorbenen Täter. Nicht auf der Bildfläche erschien hingegen der Diözesanbischof Norbert Trelle. Er entledigte sich der Sudelei durch einen kurzen Brief, ein Pflichtstatement. Sein Amt ist Teflon-beschichtet: alles perlt. Die Nachfolge gilt nur für den Segen.

Der Dom zu Hildesheim ist ein zweites Mal geweiht worden – mit der Schuld, der Schande und der Beschämung.