Volkstrauertag: Die Vergessenen

5.700.000 sowjetische Soldaten kamen in deutsche Gefangenschaft. Mehr als die Hälfte von ihnen wurden umgebracht, starben an Misshandlung, Entkräftung, mörderischen Arbeitsbedingungen, verhungerten. Nach den europäischen Juden sind sie die zweitgrößte Opfergruppe und sind fast vergessen.
Das Massensterben gehört zu den großen Verbrechen der Wehrmacht: Russen, Usbeken, Kalmüken, Ukrainer, Kirgisen, Georgier, Kasachen, Turkmenen kamen ums Leben. 
„Die Schreckensbilder von der Eroberung des deutschen Ostens durch die Rote Armee verstellten vielen Deutschen den Blick auf die eigene Schuld. Und diejenigen, die wegschauten und sich nicht erinnern wollten, sahen sich […] später durch die Errichtung einer kommunistischen Diktatur […] in der sowjetisch besetzten Zone bestätigt.“*
Im Westen wurde der Mythos des „Untermenschen“ durch Vergessen fortgesetzt und Kriegsbilder deutscher Gefangener wurden zur Leidensikonen; im Osten überstrahlte der verordnete Heldenmythos der Roten Armee jede Empathie. Stalin und seine Nachfolger brandmarkten Kriegsgefangene als Feiglinge und Volksverräter. Nicht wenige Überlebende, die nach dem Krieg in die Sowjetunion zurückkamen, landeten in Arbeitslagern, starben einen späten Tod.
In Holte-Stukenbrock, nahe Bielefeld, befand sich das Stalag 326. Hier „gab es so gut wie nichts, keine ausreichende Verpflegung, keine Latrinen, keine medizinische Betreuung und anfänglich noch nicht einmal einen Unterschlupf, im Sommer 1941 war das Lager ein mit Stacheldraht umzäuntes 400 auf 1000 Meter großes Feld mit Wachtürmen an jeder Ecke.“* Die Gefangenen mussten anfangs unter freiem Himmel schlafen, die Zweige eines Wäldchen reichten nicht für alle Laubhütten und die Häftlinge gruben sich in Erdlöcher gegen den Regen. Wie Vieh waren die Männer in teils offenen Güterwaggons angeliefert worden, oft halbtot. In den Medien war die Sprache vom „Primitivsten und Niedrigsten, das zur weißen Rasse zählt.“ Später grassierten Ruhr und Fleckfieber.
Schon Ende 1941 waren 1,4 Millionen in den Lagern zugrunde gegangen. Am Ende des Krieges waren es 3.000.000 Tote.

*Reiner Burger: „Aus dem Schatten der Erinnerung“ – in FAZ 20.10.20