Vor wenigen Jahren wurde unweit von Alttunnen, einer kleinen Siedlung im Vorarlberg, eine schmale Schriftensammlung gefunden, die zunächst nicht entzifferbar war, dann aber an der Universität Konstanz im Rahmen eines spätmittelalterlichen Hauptseminars bearbeitet und in die Gegenwartssprache übersetzt wurde.
Als wahrscheinlicher Autor wird ein Gesaldo Prächterick angenommen, der auch unter dem Namen “Glanzgold” im Gebiet der heutigen Schweiz unterwegs war – vermutlich als Bettler und Gaukler auf Jahrmarktplätzen. Viel mehr ist von ihm nicht bekannt. In einer zeitgenössischen Quelle ist lediglich die Rede davon, dass “sein Mundt prächtiger als sein Bötel, seine Hände zufassender als sein Muth” seien.
In unregelmäßigen Abständen sollen künftig in diesem Blog einige seiner Texte als Aphorismen veröffentlicht werden – freilich in die heutige Sprache, dank Dr. Marga Bludenz, Konstanzer Institut für Sprache und Literatur, transferiert.
Es folgen die ersten sechs Sätze von Gesaldo Prächterick.
- In meinem Alter ist man tot oder lebendig – aber nicht gesund.
- Hauptsache gesund – und so sehen Sie denn auch aus.
- Wenn Sie nur ein Fünkchen Verstand hätten, würden Sie das Feuer mit den Füßen und nicht mit dem Kopf austreten.
- Wir sind auch nicht mehr die, die wir nie waren.
- Wenn Sie lesen können, können Sie noch lange nicht denken. Wo denken Sie hin?
- Nicht, was Sie sehen, sehen Sie. Sie sehen, was Sie nicht sehen. Und was Sie nicht sehen, das sehen Sie schon gar nicht. Sehen Sie?